Verliebt, verlobt, verheiratet: Diabetes und Beziehungen
Das mit der Liebe ist ja so: Im Idealfall treffen sich zwei Menschen, die sich so super finden, dass ihnen im ersten Glückshormon-Rausch Versprechen à la „In guten wie in schlechten Zeiten“ locker über die Lippen kommen. Und ganz ehrlich: Gerade wenn man frisch verliebt ist, kann man sich ja kaum vorstellen, dass einem als Paar jemals Schlechtes widerfahren sollte. Das ist zwar naiv, fühlt sich aber großartig an.
Ist das Liebe oder Unterzuckerung?
Konzentrationsschwäche, alles kribbelt, das müssen Schmetterlinge im Bauch sein. Und dann – piepst es plötzlich. Der Glukosesensor meldet „niedrig“, aus Kribbeln wird Zittern und das angebetete Gegenüber wird ganz, ganz unwichtig. Jetzt geht’s um Essen, viel Essen. Sofort. Und im Zweifel kommt noch ein bisschen grundlose Aggression dazu. Und auch wenn ich – wie in diesem Beispiel – eine Hypoglykämie nicht überdramatisieren will, das ist keine Situation, die man vor Augen hat, wenn man an romantische Zeit zu zweit denkt, oder? Bei einer chronischen Erkrankung wie Typ-1-Diabetes kann die Vorstellung von „guten“ und „schlechten“ Zeiten von Anfang an auf eigene Art definiert sein. Aber muss das auch so sein?
Wo die Liebe hinfällt – wissen, wonach und wen man sucht
Jedem Menschen sind in einer Beziehung andere Dinge wichtig. Dennoch glaube ich, dass bei den meisten die Wunschliste doch recht ähnlich aussieht. Ehrlichkeit dürfte beispielsweise ziemlich weit oben stehen. Zu Ehrlichkeit gehört, sich – als betroffene Person – einzugestehen, welche Rolle der Diabetes im Leben spielt oder spielen soll. Wenn man das weiß, weiß man auch, was für einen Menschen man an seiner Seite haben möchte und welches Verhalten man sich von ihm wünscht. Manche haben diesen Menschen bereits gefunden, einige suchen noch nach ihm und andere kommen vielleicht sogar gut ohne aus.
Gleichgültig, welcher Diabetes-Typ, die Krankheit birgt Konfliktpotenzial. Dabei kommt es nicht drauf an, ob es um das „Diabetes-Outing“ vor einer neuen Bekanntschaft geht oder den Moment der Erstmanifestation in einer bestehenden Partnerschaft, ob es um konkrete gesundheitliche Probleme geht oder ob einfach all die zusätzlichen Belastungen mal wieder zu viel sind. Wichtig ist immer: Diabetes sollte niemals ein Grund sein, sich weniger liebenswert zu fühlen.
Mitgegangen, mitgehangen: Diabetes Typ F
Die Diagnose Diabetes stellt vor allem das Leben desjenigen gehörig auf den Kopf, der fortan mit der chronischen Stoffwechselerkrankung leben muss. Doch auch die Angehörigen haben plötzlich ein Päckchen zu tragen – und werden mit Diabetes Typ F diagnostiziert, was für Freunde und Familie steht.
Die Neu-Diagnostizierten finden sich meist schnell in den neuen Alltag mit Kohlenhydratberechnen und Blutzuckermessen ein. Für Angehörige und Freunde werden die vielen Details, auf die es in Zukunft zu achten gilt, oft nicht so schnell zur Selbstverständlichkeit. Das gleiche gilt, wenn neue Freunde oder ein neuer Partner ins Leben treten, die bisher keine Berührungspunkte mit Diabetes hatten. Da sind Konflikte fast schon vorprogrammiert – etwa wenn der Diabetiker sich in manchen Situationen, in denen er eine Pause braucht (z. B. bei einer Hypoglykämie) nicht verstanden fühlt oder aber in anderen Momenten möglicherweise wiederum überbehütet.
Wie in allen Situationen gilt auch hier: Offen über Wünsche und Bedürfnisse sprechen, aufklären und für mehr Verständnis für Diabetes sorgen. Oft bieten diabetologische Schwerpunktpraxen sogar Schulungen für Angehörige oder die Möglichkeit, diese zur eigenen Schulung mitzunehmen.
Denn auch in der Liebe gilt: je mehr Wissen, desto mehr Verständnis. Und dann können eben auch ganz andere Dinge im Vordergrund stehen – hoffentlich vor allem gute.