Fettstammzell-Therapie
Wenn es um regenerative Medizin geht, ist sie eine virtuose Meisterin: die Fettstammzelle. Sie kann sich in Knorpelzellen verwandeln, sie steuert Wachstumsfaktoren und Botenstoffe und sie entfaltet hochgradig antientzündliche Eigenschaften. Darüber hinaus regt sie das Einsprossen von Blutgefäßen an – ein entscheidender Faktor in der Heilungsphase. Die Fettstammzelle kann sich der veränderten Umgebung anpassen und regenerative Prozesse in Gang setzen. Warum das für Menschen mit Diabetes von Interesse sein kann? Weil es möglich ist, chronische Wunden, wie sie beim diabetischen Fußsyndrom entstehen, mithilfe von patienteneigenem Gewebe erfolgreich zu heilen.
Beste Heilungschancen in jedem Alter
Praktisch: Die Fettstammzelle liegt im gut zu erreichenden Fettgewebe, wo sie auch noch bis ins hohe Alter relativ konstant zu finden ist. „Das macht sie zum idealen Kandidaten zur Entnahme für eine Therapie“, schreibt Dr. Denis Simunec auf seiner Website zum Thema „Ablauf einer Behandlung“. Denis Simunec ist plastischer Chirurg und der weltweit erste Mediziner, der die – mit einem speziellen Verfahren hochkonzentrierten – regenerativen Zellen (unter anderem Fettstammzellen) gewonnen und erfolgreich therapeutisch eingesetzt hat. Während Dr. Simunec die Fettstammzell-Therapie für ganz unterschiedliche Behandlungen im Rahmen der regenerativen Medizin einsetzt, geht es Claus Kiwitt-Kortemeier vor allem um die Möglichkeiten beim diabetischen Fußsyndrom. Seit Jahrzehnten beschäftigt sich der Diabetologe aus Iserlohn mit diesem Thema, hat in seiner eigenen Praxis eine Fußambulanz aufgebaut und ist Mitglied der AG Diabetischer Fuß der DDG. In der Fettstammzell-Therapie sieht Kiwitt-Kortemeier großes Potenzial. „Die Behandlung hat – auch und gerade bei Patienten, die eigentlich als hoffnungslos gelten – zu wirklich guten Ergebnissen geführt.“ Bislang kommt das Verfahren allerdings nicht als Standardbehandlung zum Einsatz und wird nur an wenigen Kliniken in Deutschland angeboten. Eine Abrechnung über die Krankenkassen ist Claus Kiwitt-Kortemeier zufolge aber möglich.
Wie und wo erfolgt eine Fettstammzell-Behandlung?
Um dem Patienten am Bauch oder Oberschenkel etwas Fett abzusaugen, wird zuvor eine leichte Betäubung gegeben (Lokalanästhesie). Das entnommene Fett wird direkt nach Entnahme in einer Zentrifuge aufbereitet und anschließend unter und auch auf die Wunde gegeben. Zur Beschleunigung des Heilungsprozesses ist die zusätzliche Entnahme eines sehr kleinen Hautstücks – maximal in der Größe einer Briefmarke – erforderlich. Für großflächige Wunden wird die entnommene Haut gespalten, auseinandergezogen und darübergelegt. Bei kleineren Wunden reicht es aus, kleine Hautschnipsel in die Wunde zu streuen. Abschließend, und das ist laut Claus Kiwitt-Kortemeier beinahe das Aufwändigste an der gesamten Behandlung, muss ein spezieller Saugverband angelegt werden. Drei Tage lang bleibt dieser Verband über der Wunde – das ist in der Regel auch der Zeitraum, den der Patient im Krankenhaus verbringen muss.
Vor der Heilung kommt die Entzündung
„Beim Abnehmen des Verbandes erschrecken viele Patienten zunächst,“ sagt Kiwitt- Kortemeier. Während des Heilungsprozesses kommt es zur Zersetzung von Fettresten – ein Vorgang, der sehr unangenehm riecht. Außerdem werden entzündliche Prozesse in Gang gesetzt – eine notwendige Reaktion, die den Heilungsprozess fördert, jedoch auch deutlich als Entzündung erkennbar ist. „Aber“, so der Diabetologe aus Iserlohn, „nach drei Tagen können die meisten Patienten ihren Fuß belasten und herumlaufen. Vor allem brauchen sie keine Schmerzmittel mehr!“ Etwa zwei Wochen lang sollte noch ein Kompressionsverband getragen und alle drei Tage gewechselt werden. Danach hat sich die Wunde in der Regel verschlossen. Einige Patienten, bei denen aufgrund sehr großflächiger Wunden ein Loch unter dem Fuß verbleibt, müssen mit einem etwas längeren Klinikaufenthalt rechnen.
Für wen ist die Behandlung geeignet?
Die Fettstammzell-Transplantation im Bereich Diabetes ist in erster Linie für Patienten mit chronischen Entzündungen geeignet. Hat der Patient eine Einweisung in eine darauf spezialisierte Klinik, lässt sich die Behandlung mit der Krankenkasse abrechnen. Einige chirurgische Abteilungen aus verschiedenen Kliniken hätten bereits bekundet, das Verfahren anbieten zu wollen, berichtet Claus Kiwitt-Kortemeier. Aufgrund der Corona-Pandemie komme es aber zu Verzögerungen. Bislang gibt es nur wenige Standorte; interessierte Patienten können sich an Dr. Denis Simunec, Marienkrankenhaus Soest, wenden.