Alles rund ums diabetische Fußsyndrom
Schlechte Durchblutung und Gefühllosigkeit oder im Gegenteil: Schmerzen beim Laufen – das diabetische Fußsyndrom äußert sich bei den Betroffenen ganz unterschiedlich. Fakt ist aber: Jeder vierte Diabetiker erleidet im Laufe seines Lebens ein diabetisches Fußsyndrom.[1] Das betrifft sowohl Typ-1-Diabetes als auch Typ-2-Diabetes[2]. Unter diabetischem Fußsyndrom versteht man alle pathologischen Veränderungen am Fuß eines Menschen mit Diabetes mellitus und die diabetische Polyneuropathie[3], also krankhafte Veränderungen und Nervenstörungen.
Ursachen diabetisches Fußsyndrom: Nervenerkrankungen und Arterienprobleme
Das diabetische Fußsyndrom kann im schlimmsten Fall zur Amputation führen. Es ist auf zwei Folgeerkrankungen des Diabetes zurückzuführen: Polyneuropathie und arterielle Verschlusskrankheit.
Bei der handelt es sich um eine Störung der Nervenfunktion, die durch eine schlechte Stoffwechseleinstellung mit dauerhaft zu hohen Blutzuckerwerten begünstigt wird. Typisch für eine diabetische Neuropathie ist eine Störung des Schmerzempfindens an Beinen und Füßen. Weil die Nerven geschädigt sind, können sie Schmerzimpulse nicht mehr an das Gehirn weiterleiten. Bei der Berührung mit heißen oder scharfkantigen Gegenständen, wie zum Beispiel Steinchen im Schuh, fehlt dem Gehirn damit ein wichtiges Warnsignal. So kann es zu Verletzungen kommen, die – zunächst unbemerkt – eine Eintrittspforte für Haut- und Knocheninfektionen darstellen. Die regelmäßige Inspektion der Füße ist deshalb sehr wichtig.
Zur Früherkennung der sensomotorischen diabetischen Neuropathie sieht der Gesundheits-Pass Diabetes eine jährliche Vorsorgeuntersuchung vor. Diese solltet ihr unbedingt wahrnehmen, auch wenn ihr keine Beschwerden habt. Denn etwa 50 Prozent der Neuropathien verlaufen zunächst ohne spürbare Anzeichen, schreiten aber dennoch fort. Mit einer konsequenten und möglichst frühen Behandlung einer Neuropathie lässt sich eine Verschlimmerung verhindern. Oftmals lassen sich anfängliche Veränderungen sogar noch zurückdrängen.
Symptome, die ihr selbst feststellen könnt, sind:
- Verminderte Schmerzwahrnehmung
- Verminderte Schweißbildung
- Verminderte Empfindlichkeit für heiß und kalt
- Kribbeln, Ameisenlaufen, Schmerzen in der Nacht
- Veränderung der Fußform, wodurch sich vor allem an den Groß- und Kleinzehenballen starke Hornhaut bildet
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit, kurz paVK, ist eine Durchblutungsstörung, die durch eine zunehmende Verkalkung der Arterien entsteht und dadurch eine Verengung der Blutgefäße in den Beinen verursacht. Weil das Gewebe nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt wird, ist die Wundheilung gestört.
Symptome, die ihr selbst feststellen könnt, sind:
- Kalte Füße
- Schmerzen in Waden, Gesäß oder Oberschenkeln beim Gehen, auch bei kurzen Strecken
- Im späteren Stadium: Schmerzen in den Füßen und Zehen auch im Ruhezustand
Hat der Arzt eine Neuropathie und/oder eine Durchblutungsstörung diagnostiziert, sind weitere Untersuchungen und eine konsequente Behandlung erforderlich, um Komplikationen zu vermeiden. Dabei ist eure Mithilfe gefragt, denn wichtig sind jetzt:
- Die Optimierung des Stoffwechsels in Zusammenarbeit mit dem Arzt und Diabetesteam, damit das diabetische Fußsyndrom nicht weiter fortschreitet
- Wahrnehmung der Termine innerhalb der im Netzwerk zusammen geschlossenen Spezialisten
- Auch bei kleinsten Verletzungen den Arzt aufsuchen
- Tägliche Inspektion der Füße auf Verletzungen und konsequente Beachtung der Fußpflege-Vorschriften
Vorbeugen – die richtige Fußpflege bei Diabetes
Einmal täglich sollten die Füße zwischen den Zehen sowie insbesondere auch die Fußsohle, auf Druckstellen und Verletzungen untersucht werden. Ein spezieller Spiegel mit einem langen Griff erleichtert die Selbstuntersuchung. Wer möchte, kann auch einen Angehörigen fragen, ob er die Fußinspektion übernimmt. Außerdem freuen sich die Füße über extra Streicheleinheiten.
Verwöhnprogramm für die Füße:
- Ein kurzes Fußbad (maximal drei Minuten) bei nicht mehr als 37 °C Wassertemperatur (mit einem Thermometer kontrollieren!), angereichert mit einem milden Pflegezusatz, der zum Beispiel Aloe Vera enthält.
- Füße, besonders zwischen den Zehen, gründlich abtrocknen. Bei feuchten Zehenzwischenräumen kann leicht Fußpilz entstehen.
- Eine Fußmassage, bei der jeder Zeh einzeln geknetet wird und den ganzen Fuß streichend massieren. Auch ein Igelball oder Fußroller tun gut.
- Spitze „Werkzeuge“ sind tabu
Achtung beim Nägelkürzen: Zum Kürzen der Fußnägel eignen sich am besten Nagelfeilen aus Sandpapier oder Glas. Bitte keine Knipser oder spitzen Gegenstände benutzen. Der Nagel sollte gerade und nicht zu kurz abgefeilt werden und mit der Zehenkuppe abschließen. Zu kurze Nägel und Nägel mit abgerundeten Ecken wachsen schneller ein. Ganz nebenbei: Es spricht nichts dagegen, die Nägel zu lackieren, wenn man möchte.
Hornhaut entfernen: Auch hier gilt, scharfe Gegenstände wie Hobel oder Raspeln sind tabu. Die Hornhaut in einem Fußbad zunächst aufweichen und anschließend mit einem Bimsstein abrubbeln. Danach sollte der Fuß gut eincremt werden.
Wenn der Schuh drückt, hat der diabetische Fuß ein Problem. Schlecht sitzende bzw. zu enge Schuhe sind die häufigste Ursache für Verletzungen an den Füßen und begünstigen „Hühneraugen“. Achten Sie beim Schuhkauf deshalb auf folgende Kriterien:
- Ausreichend Platz für den Fuß in Breite, Höhe und Länge
- Eine Schuhsohle, die nicht zu biegsam ist und sich nicht seitlich verdrehen lässt
- Halt um die Ferse
- Eine weiche Innenpolsterung ohne vorgeformtes Fußbett
- Möglichst flache Absätze
- Innen keine harten Nähte, Ösen oder ähnliche Fremdkörper
- Beim Material weiches Leder bevorzugen
Tipp: Die Füße schwellen im Laufe des Tages und bei Belastung an. Deshalb Schuhe besser nachmittags kaufen. Dann kann später weniger drücken oder einengen.
Auch Socken können Druckstellen am Fuß verursachen und sollten deshalb möglichst keine störenden Nähte oder zu enge Gummis haben. Socken aus reiner Baumwolle eignen sich am besten.
Fußgesundheit bei Diabetes: Immer gleich zum Profi
Zur Erhaltung der Fußgesundheit bei Menschen mit Diabetes haben sich Spezialisten für die Fußbehandlung in Deutschland regional zu „Netzwerken diabetischer Fuß“ zusammengeschlossen.
Hausärzte, Diabetologen und Diabetesberaterinnen sind erste Ansprechpartner bei Fußwunden und leiten deren kompetente Versorgung in die Wege und sie kümmern sich in Zusammenarbeit mit euch um eine Verbesserung der Stoffwechseleinstellung. Außerdem gibt es noch die Spezialisten im Netzwerk.
Podologen haben als Fußpfleger eine zweijährige Zusatzausbildung absolviert und sind u. a. spezialisiert auf die Pflege der Füße von Menschen mit Diabetes. Hat der Arzt ein diabetisches Fußsyndrom diagnostiziert, werden die Kosten für die Behandlung also etwa von der Krankenkasse übernommen.
Gefäßspezialisten und Chirurgen nehmen bei Bedarf weiterführende Untersuchungen (Ultraschall, Angiographie) vor und führen Erweiterungen der Gefäße oder auch Bypass-Operationen zur Verbesserung der Durchblutung durch. Über die Empfehlung für eine eventuell notwendige Amputation entscheiden die Ärzte der verschiedenen Fachrichtungen gemeinsam.
Orthopädieschuhmacher/-techniker kümmern sich um die fachgerechte Versorgung mit geeigneten Schuhen und/oder Einlegesohlen.
Jeder Patient kann diese Netzwerke in Anspruch nehmen. In den Disease-Management-Programmen sowie Versorgungsleitlinien zum diabetischen Fuß ist eine Behandlung in Fußambulanzen sogar ausdrücklich vorgesehen.
Sauerstofftherapie beim diabetischen Fuß
Wenn die herkömmliche Wundversorgung beim diabetischen Fuß nicht ausreicht, kann die Behandlung durch eine sogenannte Hyperbare Sauerstofftherapie ergänzt werden. Dabei sitzen die Patienten in einer speziellen Kammer und atmen dort unter erhöhtem Luftdruck reinen Sauerstoff ein. Dies soll das Blut mit Sauerstoff anreichern und so schlecht durchblutetes Gewebe mit zusätzlichem Sauerstoff versorgen. Krankenkassen übernehmen nach einem positiven GB-A Beschluss die Kosten.
[1] . Holger Lawall: „Diabetisches Fuß-Syndrom“. In: DiabetesDE: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2014,
S. 84
[2] Holger Lawall: „Diabetisches Fuß-Syndrom“. In: DiabetesDE: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2014, S. 83
[3] Stephan Morbach et.al.: Diabetisches Fußsyndrom ( DOI https://doi.org/10.1055/a-0598-3040, Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S244–S252, © Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart · New York, ISSN 1861-9002)