Diabetes und Autofahren – läuft bestens
Ob im privaten Pkw oder beruflich als Busfahrer, im Lastwagen oder Taxi grundsätzlich gilt: Diabetiker dürfen am Straßenverkehr teilnehmen. Das ist die zentrale Aussage der sogenannten S2e-Leitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“, in der europaweit die Fahrtauglichkeit bei Diabetes bewertet wurde. Damit liegen Richtlinien vor, an denen sich sowohl die rund sechs Millionen betroffenen Führerscheininhaber in Deutschland als auch Ärzte orientieren können. Mediziner finden in den Leitlinien Empfehlungen zur fachlich gebotenen Vorgehensweise und zur Patientenaufklärung. Beispielsweise, welche Anforderungen jemand erfüllen muss, um eine bestimmte Fahrerlaubnis zu erwerben oder wann ein „ärztliches Fahrverbot“ auszusprechen ist. Patienten hingegen werden durch einen verlässlichen Beurteilungs- und Bewertungsmaßstab in die Lage versetzt, Gutachten zu überprüfen und können so deutlich einfacher gegen den drohenden Verlust der Fahrerlaubnis vorgehen.
Die rechtliche Basis für die Teilnahme am Straßenverkehr bildet die Fahrerlaubnis-Verordnung (FEV), die sich an den EU-Führerschein-Richtlinien orientiert. Sie erlaubt Menschen mit Diabetes explizit das Führen eines Kraftfahrzeuges. Gleichzeitig macht sie Einschränkungen hinsichtlich der Fahreignung. So unterscheiden die „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung – 3.5 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)“ zwischen
Fahrzeuggruppe 1 der Fahrerlaubnisklassen A, A1, B, BE, M, L, T (also Motorräder, PKW, landwirtschaftliche Zugmaschinen)
Fahrzeuggruppe 2 der Fahrerlaubnisklassen C, C1, C1E, D, DE, D1, D1E (PKW/LKW über 3,5 t, Sattelschlepper u. ä.) sowie FzF (Fahrgastbeförderung)
Rechtlich zuständig, wenn es um die Teilnahme am Straßenverkehr geht, ist die Straßenverkehrsbehörde.
Führerschein machen mit Diabetes
Wer den Führerschein für Fahrzeuge der Gruppe 1, beispielsweise also normale PKW oder Motorräder, erwerben will, hat in der Regel keine Schwierigkeiten. Der Diabetes muss bei der Antragstellung, wenn nicht danach gefragt wird, auch nicht angegeben werden. In einigen Bundesländern gibt es einen Gesundheitsbogen, in dem auch die Frage nach dem Vorliegen eines Diabetes gestellt wird. Experten empfehlen, diese Frage entweder wahrheitsgemäß zu beantworten oder einfach offenzulassen. Abgeraten wird davon, die Unwahrheit zu sagen, also „Nein“ anzukreuzen. Und wer bereits einen Führerschein besitzt und dann an Diabetes erkrankt, muss dies nicht der Straßenverkehrsbehörde mitteilen.
Für Fahrzeuge der Gruppe 2, etwa Lkw, sowie zur Personenbeförderung konnten insulinbehandelte Diabetiker allerdings lange nur in Ausnahmefällen eine Fahrerlaubnis erhalten. Dies hat sich mit neuen Richtlinien zum Führerschein vom 1. Mai 2014 geändert. In der Begutachtungsleitlinie ist nun ausdrücklich festgeschrieben, dass „gut eingestellte und geschulte Menschen mit Diabetes” sowohl Pkw als auch Lkw „sicher führen“ können – dasselbe gilt auch für die Personenbeförderung, etwa im Taxi oder Omnibus.
Hauptsache kein Unterzucker beim Autofahren
Menschen mit Diabetes sind im Straßenverkehr verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie sich und andere nicht gefährden. Dazu gehört, abhängig von der Therapie:
- Unterzuckerungen rechtzeitig erkennen zu können
- Traubenzucker immer griffbereit zu haben
- vor Fahrtantritt den Blutzucker zu messen und sicherzustellen, dass keine Gefahr einer Unterzuckerung besteht
- auch während der Fahrt regelmäßig anzuhalten und zu messen, bei ersten Anzeichen einer Unterzuckerung sofort die Fahrt zu unterbrechen
- unmittelbar vor Fahrtantritt kein Insulin zu spritzen
- alle 6 bis 12 Wochen die Stoffwechseleinstellung mit dem Arzt zu besprechen.
Wichtigstes Ziel ist es, eine Unterzuckerung während der Fahrt zu vermeiden. Wenn Sie also häufiger eine Hypoglykämie haben bzw. diese nicht rechtzeitig wahrnehmen, sollten Sie mit Ihrem Arzt darüber sprechen.
Kratzer, Beulen, Schlimmeres: Was tun bei einem Unfall?
Einen Moment nicht aufgepasst, und schon ist man dem vorausfahrenden Auto auf die Stoßstange gefahren. Blechschaden. Das ist nicht weiter tragisch – solange der Diabetes keine Erwähnung findet. Erfährt die Polizei davon oder schöpft Verdacht, kann es kritisch werden. Denn dies zieht in der Regel eine Meldung an die Verkehrsbehörde nach sich, die langwierige und teure Folgen haben kann.
Aber nicht immer endet ein Unfall nur mit einem Blechschaden. Und manchmal ist dann tatsächlich eine Unterzuckerung im Spiel. Da heißt es einen kühlen Kopf bewahren, rät Rechtsanwalt Oliver Ebert auf seiner Internetseite www.diabetes-und-recht.de. Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern. Angeben müssen Sie am Unfallort nur die Personalien, mehr nicht. Zum Unfallhergang müssen und sollten Sie der Polizei vor Ort keine Auskunft geben. Auf keinen Fall sollten Sie Ihren Diabetes erwähnen oder gar eine eventuelle Unterzuckerung. Ist ein Notarzt vor Ort, sollten Sie ihn konkret darauf ansprechen, dass über den Diabetes und eine eventuelle Unterzuckerung keine Informationen an Dritte gegeben werden dürfen. Vor allem bei größeren Unfällen empfiehlt es sich, möglichst rasch einen Rechtsanwalt einzuschalten. Am besten einen, der bereits Erfahrung mit Diabetes hat.
Ach herrje – ein Gutachten vom Amtsarzt
Erfährt die Verkehrsbehörde vom Diabetes und ordnet ein verkehrsmedizinisches Gutachten an, dann müssen Sie in den sauren Apfel beißen. Verweigern können Sie ein solches Gutachten nicht, wenn Sie Ihren Führerschein behalten wollen. Ausgestellt werden muss das Gutachten von einem verkehrsmedizinisch erfahrenen Facharzt, von einem Amtsarzt oder einem Betriebsmediziner. Adressen finden Sie unter www.deutsche-diabetesgesellschaft.de/arztsuche. Das Gutachten soll dann zeigen, dass Sie alle Voraussetzungen erfüllen, um am Straßenverkehr teilnehmen zu können. Das heißt in erster Linie: Unterzuckerungen zuverlässig erkennen und behandeln oder eben: Weder sich selbst noch andere Menschen gefährden.
Mehr zum diesem und anderen rechtlichen Themen finden sie in unserer Serie Diabetes-Wissen 23. „Diabetes und Recht“.