Gewicht senken – Fitness erhöhen
Wie wichtig körperliche Aktivität für unsere Gesundheit ist, ist hinlänglich bekannt. Auch und gerade für Menschen mit Typ-1-Diabetes und ganz besonders dann, wenn sowohl ein paar Kilos als auch der HbA1c runter sollen. Trotzdem fällt es vielen schwer, regelmäßig Bewegungseinheiten in ihren Alltag einzubauen. Aus ganz unterschiedlichen Gründen: Mangelnde Zeit spielt ebenso eine Rolle wie mangelndes Selbstvertrauen oder Unzufriedenheit durch die Erkenntnis, dass genau die Sportart, die man gerne machen würde, aus gesundheitlichen Gründen nicht in Frage kommt. Das größte Hindernis ist aber die fehlende Motivation, mitunter auch verknüpft mit der Erfahrung, dass Sport einfach keinen Spaß bringt.
Ein Spaziergang tut’s auch
Doch muss es unbedingt eine sportliche Aktivität sein? „Nein“, meint Prof. Martin Halle. Schon wenige Minuten einfachster Bewegungseinheiten pro Tag könnten einen positiven Effekt für die Gesundheit erzielen, ist der Direktor der Präventiven Sportmedizin und Sportkardiologie am Klinikum rechts der Isar der TU München überzeugt. Bereits ein täglicher Spaziergang – bestenfalls zügig und mindestens zehn Minuten lang – reduziere das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes um 20 Prozent. Wichtiger Aspekt dabei: die Regelmäßigkeit. Das ist die einzige Hürde. Wer durchhält, kann – allein durch diese täglichen zehn Minuten – nach sechs bis acht Wochen seinen Muskelstoffwechsel, die Elastizität der Gefäße und die Herzfunktion verbessern. Klingt gut.
Viele Menschen, die einmal spüren, wie positiv sich bereits ein Mindestmaß an regelmäßiger Bewegung auf ihr Wohlbefinden auswirkt, sind auch bereit, die Intensität zu steigern. Und: „Mit zunehmender Intensität steigen auch die positiven Effekte“, sagt Martin Halle. Am besten, so der Mediziner, sei es, wenn man ein bisschen ins Schwitzen gerate. Sein Tipp an alle, die bereits über den zehnminütigen Gang hinaus sind: „Mehrere Intervalle mit zügigem Walken in den Spaziergang integrieren.“ Aber eins nach dem anderen: „Wer bislang wenig bis gar keine Bewegung im Alltag hatte, sollte es langsam angehen lassen. Denn: Liegt die Latte gleich am Anfang zu hoch, ist der Frust vorprogrammiert.
Schritt für Schritt mit der richtigen Motivation
Jede Minute zählt und jede Minute in Bewegung ist besser als gar keine Bewegung. Wer das verinnerlicht hat, dem fällt es leichter, sich zu motivieren. Denn die Hürde einer kurzen und einfachen Bewegungseinheit lässt sich müheloser nehmen. Und seien wir ehrlich: zehn Minuten täglich sind immer drin! Selbst bei schlechtem Wetter und zu Hause ist Raum für Aktivitäten. Zum Beispiel mit dem „7-Minuten-Workout“, das Prof. Halle zusammengestellt hat und das auf der Website der TUM kostenlos zur Verfügung steht (www.tum.de, Stichwort: „Projekt 7Fit“). Hier findet man auch den „10- Wochen-Plan“ für Ungeübte von Martin Halle, der seinen Patienten bereits seit längerer Zeit Bewegung auf Rezept verordnet. Praktisch: Auf der Rückseite eines solchen Rezepts finden sich 7 Tipps für mehr Aktivitäten im Alltag, die wir
hier leicht abgewandelt wiedergeben:
7 Tipps für mehr Aktivitäten im Alltag
- Mit dem Rad fahren bzw. wenn man mit dem ÖPNV unterwegs ist, einfach mal eine Station früher aussteigen und zu Fuß gehen
- Treppe statt Aufzug, auch mal zügig
- Bewegungspausen während der Arbeit (z.B. „7-Minuten-Workout“)
- Beim Telefonieren aufstehen
- Telefonate, wenn möglich, beim Spaziergang erledigen
- Abends mit dem Partner/der Familie rausgehen, den Tag Revue passieren lassen
- Die Zeit vor dem TV für Bewegung nutzen (z.B. „7-Minuten-Workout“)
Gelegenheiten im Alltag wahrnehmen
Am besten ist es, wenn es gelingt, Bewegung so in den Alltag zu integrieren, dass dadurch kein zusätzlicher Termin entsteht, der möglicherweise als Belastung empfunden wird. Manche Dinge müssen einfach zur Gewohnheit werden. Gelegenheiten, sich im Alltag zu bewegen, gibt es viele. Wir müssen sie nur wahrnehmen. Weil unser Gehirn aber gerne den Weg des geringsten Widerstandes wählt, bleiben sie häufig ungenutzt. Darauf kann jeder selbst bewusst Einfluss nehmen.
Als sinnvolle Motivationshelfer können Schrittzähler auf dem Smartphone oder der Smartwatch zum Einsatz kommen. So ein Schrittzähler gehört inzwischen zum Standard auf jedem Smartphone, darüber hinaus gibt es sowohl kostenlose als auch kostenpflichtige Apps. Einige davon – sogenannte DIGAs (Digitale Gesundheitsanwendungen) werden von Krankenkassen erstattet.
Und wie kann man dabei abnehmen?
Ein zehnminütiger Spaziergang wird, auch wenn er täglich stattfindet, sicherlich keine Pfunde zum Schmelzen bringen. Aber es ist ein Anfang, ein erster Schritt auf dem Weg zu neuen oder wenigstens etwas veränderten Lebensgewohnheiten. Und genau die gilt es langfristig anzupassen. Jedenfalls wenn man nachhaltig sein Gewicht reduzieren möchte. Neben körperlicher Aktivität kommt es dabei selbstverständlich auch auf Ernährungsgewohnheiten
an. Allein mit Sport ist es nicht getan. Generell wird das Verbrennen von Kalorien durch Sport häufig überwertet. Doch darauf kommt es auch gar nicht an. Denn Bewegung ist so viel mehr als nur Energieverbrennung.
Bewegung hat positive Effekte
- auf das Herz-Kreislauf-System
- auf Muskulatur und Knochen
- auf das Immunsystem
- auf die Psyche
- auf den HbA1c
- auf den Insulinbedarf
- auf den Stoffwechsel insgesamt
- auf Alterungsprozesse
- auf kognitive Fähigkeiten
Muskel-Wissen: Wer seine Muskelmasse durch Training erhöht, profitiert doppelt: Auch im Ruhemodus haben Muskeln einen positiven Effekt. Da sie mehr Energie benötigen als Fettgewebe, steigt der Grundumsatz, und in der Regel benötigen muskulöse Diabetiker weniger Insulin. Je weniger Insulin benötigt wird, desto leichter fällt es, abzunehmen. Eine gut entwickelte Muskulatur schützt zudem die Gelenke, reduziert die Entstehung von Haltungsschäden und Osteoporose und sorgt für mehr Beweglichkeit im Alter. Die Muskulatur ist das größte Stoffwechselorgan des menschlichen Körpers und hat einen großen Einfluss auf die Produktion von Hormonen und hormonähnlichen Botenstoffen. Die Signalstoffe haben wiederum Einfluss auf andere Organe, indem sie Fett verbrennen, die Durchblutung der Gefäße verbessern, die Leber entlasten und das Gehirn vor Demenz schützen.
Bewusst und gesund essen
Im Zusammenhang mit der Ernährung als weiterer und ebenso wichtiger Säule beim Abnehmen kommt es vor allem darauf an, dass die Menge der zugeführten Kalorien unter der des Verbrauchs liegt. Es ist eine simple Regel: Wenn ich an Gewicht verlieren will, muss ich mehr verbrennen als ich aufnehme. Auf welche liebgewonnenen Snacks kann man verzichten? An erster Stelle stehen hier natürlich Süßigkeiten und Softdrinks. Wer abnehmen möchte, sollte diese von seinem Speiseplan streichen. Es klingt wie ein Mantra, aber die beste Empfehlung ist immer noch die kalorienreduzierte Mischkost: viel Gemüse, wenig Fleisch, dafür mehr Hülsenfrüchte wie Linsen oder Erbsen und gesunde Fette, wie zum Beispiel Raps- und Olivenöl. Außerdem: möglichst wenig verarbeitete Nahrungsmittel und möglichst viel selber kochen.
Geduldig sein und realistisch bleiben
Die Umstellung der Lebensgewohnheiten hinsichtlich Ernährung und Bewegung geht für Typ-1-Diabetiker mit einer Anpassung der Insulindosis einher. Dadurch können – insbesondere in der Anfangsphase – die Blutzuckerwerte durcheinander geraten. Hier heißt es, geduldig zu sein, denn es kann schon ein bisschen dauern, bis der Körper sich an die neuen Bedingungen gewöhnt. „Was ganz wichtig ist, wenn man fitter werden will“, gibt Martin Halle zu bedenken: „dass es realistische Ziele sind.“ Wer ernsthaft Veränderungen am Lebensstil vornehmen möchte, um Gewicht zu reduzieren und dann auch zu halten, sollte darüber auch mit dem behandelnden Diabetologen und/oder der Diabetesberaterin sprechen. Hilfreich ist auch eine Ernährungsberatung.