Kinder stark machen und gut versorgen
Update zur Kinderdiabetologie
Zu einer guten Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes gehören Früherkennung, kindgerechte Behandlung und Unterstützung der Familien. Basis dafür sind unter anderem die Empfehlungen der Leitlinie, Screening Projekte und beharrliche Forderungen von Expertengremien.
Rund 32 000 Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes gibt es in Deutschland, Tendenz steigend. Vor allem in den beiden Pandemiejahren hat sich die Zahl der Diagnosen deutlich und unerwartet stark erhöht. Da der Anstieg nach jeder Infektionswelle ähnlich war, sich die Infektionszahlen aber unterschieden, sehen Experten keinen direkten Zusammenhang. Wohl aber einen indirekten: Die veränderten Umstände während der Lockdowns (geschlossene Kitas, Schulen und Vereine, mangelnde Sozialkontakte, Stress und so weiter) sind hier ebenso zu nennen wie die Tatsache, dass viele Diagnosen zeitlich verzögert gestellt wurden. Eine Umstellung auf Homeschooling sowie fehlende Sportaktivitäten werden auch für das erhöhte Typ-2-Diabetes-Risiko bei Kindern und Jugendlichen mitverantwortlich gemacht.
Update Leitlinie – was gibt‘s Neues?
Da ein spät entdeckter Diabetes schlimmstenfalls zu lebensgefährlichen Stoffwechselentgleisungen führen kann (Ketoazidose), wird zielgerichtete Früherkennung gefolgt von innovativer Behandlung und einer regelmäßigen Verlaufskontrolle immer wichtiger. Basis für die Umsetzung dessen ist die entsprechende S3-Leitlinie, welche derzeit aktualisiert und voraussichtlich im August veröffentlicht wird. Zu den aktualisierten Empfehlungen gehört unter anderem, dass CGM-Systeme und Insulinpumpen allen Kindern und Jugendlichen angeboten werden sollen. Da die Formulierung „soll“ die höchste Forderung einer Empfehlung ist, dürfte eine Verhandlung mit Kostenträgern über die Bereitstellung moderner Diabetes-Technologie für die Jüngsten zukünftig hoffentlich kein Problem mehr sein. Auch die Erweiterung zum AID-System – so die Autoren der Leitlinie – sollte von Kinderdiabetologen in Zukunft geprüft werden. Im Zusammenhang mit den genannten Empfehlungen ist die Begleitung neuer Therapiekonzepte durch Schulungen ebenfalls ein Thema. In einem weiteren Kapitel geht es um Empfehlungen für den Bereich der Telemedizin. Mithilfe telemedizinischer Kontakte – als Ergänzung zu regulären Kontrollterminen – soll die Möglichkeit für häufigere Therapiegespräche geschaffen werden, um beispielsweise durch Anpassungen der Basalrate die Stoffwechsellage zu verbessern. Solche Videosprechstunden können Ambulanztermine auch ersetzen und sowohl Eltern wie auch Kinder nachweislich entlasten.
Unterstützung in der Schule
Die Autoren der Leitlinie setzen sich außerdem für eine bessere Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes in Schulen ein. Die Etablierung von Schulgesundheitskräften ist dabei ein erklärtes Ziel, welches aber noch nicht in der kommenden Leitlinie verankert sein wird. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) sowie andere Fachgesellschaften fordern dies seit langem. Pilotprojekte in Hessen und Brandenburg konnten den großen Nutzen von Schulgesundheitskräften belegen – es wurden dadurch sogar Rettungseinsätze deutlich reduziert. Eine flächendeckende Umsetzung bleibt sicherlich erstmal Wunschdenken. Realität ist jedoch die Möglichkeit, sich über die Plattform Diabetes Kids einen Paten zu suchen. Dabei handelt es sich um erfahrene Freiwillige, die im Kindesalter die Diabetes-Diagnose erhalten haben, gut damit leben und sich gerne mit einem „Diabetes-Kid“ bzw. dessen Eltern treffen, um Erfahrungen auszutauschen. Mehr Infos und Kontakt zu möglichen Paten gibt es hier: www.diabetes-kids.de/adressen/69-diabetespate
Gefährliche Ketoazidosen vermeiden
Ein Anstieg der lebensbedrohlichen Ketoazidose war schon vor Corona im Zusammenhang mit verspäteten Diabetes Diagnosen bei Kindern zu beobachten. Doch in den ersten zwei Jahren der Pandemie sind die Zahlen weiter nach oben gegangen. Umso wichtiger wird eine flächendeckende Aufklärung über die frühen Anzeichen wie ständigen Durst, häufiges Wasserlassen, Gewichtsabnahme und Müdigkeit. Einen großen Beitrag für eine verbesserte Früherkennung von Typ-1-Diabetes bei Kindern leistet nach wie vor die Fr1da-Studie, eine 2015 in Bayern gestartete Früherkennungsuntersuchung, die inzwischen auf die Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Sachsen ausgeweitet wurde. Weitere Studienprojekte, die daran anknüpfen, sind die Fr1dolin- und die Freder1k-Studie. Weitere Infos: www.typ1diabetesfrueherkennung.de und www.gppad.org/de/frueherkennung