Nutzen Sie schon die ePa?
Die elektronische Patientenakte (ePA) wird in Deutschland kaum genutzt. Damit sich das ändert, soll die ePA bis Ende 2024 als sogenanntes „Opt-Out-Angebot“ kommen. Das bedeutet, dass alle Versicherten aktiv widersprechen müssen, wenn sie das digitale Angebot nicht nutzen möchten. Doch wo liegen die Vorteile?
Arztbefunde und regelmäßig einzunehmende Medikamente, der Impfpass und das Zahn-Bonus-Heft, MRT- und Röntgenbilder sowie Hinweise zu Allergien und Unverträglichkeiten – das könnten gesetzlich Versicherte theoretisch bereits jetzt auf einen Klick zur Hand haben: Die elektronische Patientenakte (ePA) macht’s möglich. Doch die ePA wird bislang kaum genutzt, tatsächlich ist das Thema bei vielen Versicherten noch überhaupt nicht richtig angekommen. Das bestätigen auch zwei Umfragen von DiaExpert: Was halten DiaExpert Kundinnen und Kunden von der ePA, wie sehen sie das Opt-Out-Modell ab 2024 und wie stehen sie generell zur Spende ihrer Gesundheitsdaten? Für einen ersten schnellen Überblick wurden zwei Blitzumfragen durchgeführt und brachten folgende Ergebnisse:
Im Mai dieses Jahres hatten immerhin 66 Prozent schon von der ePA gehört, während 34 Prozent nichts damit anzufangen wussten. Nur acht Prozent der Befragten nutzten die digitale Akte bereits. Die Gründe dafür waren unterschiedlich und reichten von: „Kenne ich nicht“ und „Funktioniert nicht“ über „Weiß nicht, wie es geht“ bis hin zu „Praxen können sie mangels Software nicht befüllen“. Dass die ePA bis Ende 2024 für alle gesetzlich Versicherten als Opt-Out-Modell eingeführt werden soll, fanden 49 Prozent der Teilnehmenden gut und acht Prozent nicht so gut.
Der Rest ist unentschlossen. 74 Prozent der Befragten sahen durchaus die Vorteile der ePA und nannten hier insbesondere:
- die Bündelung von Daten
- besseren Überblick und Vorteile dadurch, dass andere Ärzte Befunde sehen und entsprechend handeln können
- kein Papier mehr
- alle Dokumente, wie MRT-/Röntgenbilder, aber auch Impfpass und Bonusheft immer digital an einem Ort
- die komplette Krankengeschichte in einer Akte.
Interessant waren die Antworten auf die Fragen zum Thema Datenspende: Wurde in der ersten Runde nur gefragt, ob man bereit sei, Gesundheitsdaten zu spenden, überwog in den Antworten die Skepsis. In der zweiten Umfrage mit detaillierteren Informationen dazu, dass die anonymen Daten der Verbesserung der Versorgung dienten, fielen die Antworten deutlich positiver aus. Auf die Frage etwa, ob man ein Register – ähnlich dem DPV-Register für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene – auch für Erwachsene befürworten würde, antworteten alle Teilnehmenden mit „Ja“.
Beispiel Schweden
In Schweden gibt es die ePA bereits seit mehr als 20 und in Dänemark seit über 15 Jahren. Während die Datenhoheit hierzulande beim Patienten liegt, kann man in Skandinavien lediglich entscheiden, ob man die ePA haben möchte oder nicht. Wer sich dafür entscheidet, gewährt allen Ärzten automatisch Zugriff auf alle Daten.
DPV Register
„Seit 1995 gibt es das DPV-Register. Fast alle pädiatrischen und viele internistische Diabeteszentren aus Deutschland und Österreich beteiligen sich daran, sodass über die aktuelle Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes – aber auch über Veränderungen in den letzten 25 Jahren – ein sehr zuverlässiges Bild besteht.“
Mehr dazu unter: www.ddg.info/presse/dpv-register-25-jahre-strukturiertedatenerfassung-eine-bilanz
„Daten kennen keine Grenzen“
Interview mit Prof. Dirk Müller-Wieland, Facharzt für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum der RWTH Aachen und Vorsitzender der Kommission Digitalisierung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
„Herr Prof. Müller-Wieland, was die Einführung der ePA betrifft, hakt und hapert es in Deutschland offenbar an vielen Stellen. Hängt das auch damit zusammen, dass in Deutschland die Datenhoheit beim Patienten liegt?“
Prof. Müller-Wieland: „Ich finde es richtig, dass der Patient entscheidet, was mit seinen Daten passiert. Was aber bei der ersten Version der ePA unter der letzten Bundesregierung vorgesehen war – dass die Akte ausschließlich durch den Patienten geführt wird – das haben wir immer für falsch gehalten. Im November letzten Jahres wurde die Gematik damit beauftragt, ein neues Konzept zu entwickeln, darunter unter anderem das Opt-Out-Modell. Jetzt ist vorgesehen, dass die ePA nicht allein patienten-, sondern auch arztgeführt wird. Am Ende funktioniert es nur, wenn beide die Akte führen können.“
„Nun könnte ich als Patient es so einrichten, dass eine Fachrichtung bestimmte Dokumente
sehen darf und eine andere nicht. Ist das nicht ungünstig?“
Prof. Müller-Wieland: „Aus diesem Grund wird derzeit diskutiert, ob man die Akte so anlegt, dass zumindest ersichtlich ist, wenn auf Dokumente kein Zugriff besteht. Das ist eher eine politische Frage. Grundsätzlich wäre es natürlich sinnvoll, wenn jeder Behandelnde Zugriff auf alle Daten hätte. Dennoch ist es in manchen Fällen nachvollziehbar – insbesondere, wenn es um psychiatrische Diagnosen geht –, dass man nicht alles mit allen teilen möchte. Es muss möglich sein, Dinge für sich behalten zu dürfen.“
„Derzeit befinden sich viele Daten noch recht unsortiert, unter anderem in Form einzelner PDF-Dateien, auf der ePA. Je nachdem, um wie viele Dokumente es sich handelt, besteht mitunter die Gefahr, etwas zu überlesen. Ärzte fürchten, zur Verantwortung gezogen werden zu können, wenn sie eine Information theoretisch zur Verfügung gehabt hätten.“
Prof. Müller-Wieland: „Ja, das ist richtig und hier ist man auch derzeit dabei, etwas zu ändern. Niemand möchte sensible Gesundheitsdaten in Form von PDF-Dateien in der Akte haben. Dennoch müssen wir starten. Der erste Schritt muss jetzt sein, die Daten integrieren zu können. Gleichzeitig muss an der Sortierung gearbeitet werden. Wir brauchen ein funktionierendes, belastbares System. Bedenken sind gut und sollten formuliert werden, aber sie sollten konstruktiv in die weitere Entwicklung mit eingebracht und nicht als Argumente gegen die ePA ins Feld geführt werden.“
„Bremst die Auslegung der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) in Deutschland das Vorankommen der ePA aus Ihrer Sicht aus?“
Prof. Müller-Wieland: „Das bremst uns außerordentlich aus. Im föderalen Deutschland kommt noch erschwerend hinzu, dass jedes Bundesland seinen eigenen Datenschutzbeauftragten hat. Die Auslegung kann hier mitunter variieren. Wenn wir die Datenschutzverordnung mit ihren Vorgaben immer mehr regionalisieren, wird man es nicht in den Griff bekommen. Daten kennen keine Grenzen. Wir brauchen eine europäische, bestenfalls globale Datenschutzverordnung. Ziel ist es, die gesammelten Daten strukturiert in ein europäisches Register fließen zu lassen.“
„Die kleine DiaExpert Blitzumfrage hat gezeigt, dass die ePA und insbesondere auch eine Datenspende positiver betrachtet werden, wenn man erklärt, dass die Versorgung sich damit verbessern lässt.“
Prof. Müller-Wieland: „Ich denke, dass die meisten Menschen nichts dagegen haben, wenn ihre anonymen Daten sowohl ihrer eigenen Versorgung als auch der anderer Patienten zugute kommen. Beim sogenannten Forschungsdatenzentrum ist es aber so vorgesehen, dass wenn jemand seine Daten nicht zur Verfügung stellen möchte, er dies ablehnen kann. Allerdings funktioniert eine Datenbank natürlich nur dann, wenn jene Daten, die einmal generiert wurden, auch weiterhin im Datenpool zur Verfügung stehen und nicht irgendwann wieder zurückgezogen werden können. Hier arbeitet man noch an Lösungen, damit Datensätze sich nicht dauernd ändern und damit unbrauchbar sind. Wichtig ist: Wir müssen es den Menschen gut erklären.“
„Erklären müssen wir auch die eDA. Was hat es damit auf sich?“
Prof. Müller-Wieland: „Die Kommission Digitalisierung in der DDG hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, neben der ePA auch die sogenannte eDA – elektronische Diabetesakte – aufzubauen. In dieser Akte sollen weitere, den Diabetes betreffende, detaillierte Daten erfasst und an ein Diabetes-Register angeschlossen werden.“
„Auf der Website der DDG war zu lesen, dass 2023 ein Pilot getestet werden soll…“
Prof. Müller-Wieland: „Wir werden den Piloten in diesem Jahr testen, sind aber derzeit noch etwas zurückhaltend. Wenn das Pilotkonstrukt und der Datenaustausch funktionieren, ist das nächste Ziel, die eDA flächendeckend auszurollen. Ein Problem ist aber, dass die eDA an die ePA gekoppelt ist und Verzögerungen bei der ePA sich dementsprechend auch auf die eDA auswirken.“
„Herr Prof. Müller-Wieland, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.“
Die elektronische Diabetesakte (eDA)
Um Menschen mit Diabetes nach den neuen medizinischen Standards der DDG zu behandeln und die Therapie stetig zu optimieren, werden Behandlungsdaten nach internationalem und interoperablem Standard automatisch und strukturiert erfasst, zeitgerecht mit bedarfsorientierten leitlinienbasierten Empfehlungen sowie anderen digitalen Gesundheitsanwendungen gekoppelt und wissenschaftlich evaluiert. Weitere Informationen zur eDA: www.ddg.info/die-ddg/kommissionen/digitalisierung
GKV oder PKV?
Die im Auftrag des Gesetzgebers von der Gematik entwickelte ePA steht zunächst nur für Versicherte einer GKV (gesetzliche Krankenversicherung) zur Verfügung. Um die Anbindung von Privatpatienten über dasselbe System zu ermöglichen, ist der Zugang zur Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen erforderlich. Daran wird gearbeitet. Parallel gibt es einige PKV, die bereits eigene Lösungen für eine ePA haben. Für weitere Informationen diesbezüglich wenden sich Privatversicherte am besten direkt an ihre Krankenversicherung.
ePA einrichten – so geht’s
Wer sich eine ePA einrichten möchte, muss hierfür zunächst eine App installieren. Hierzu kann man die App seiner Krankenkasse hier auswählen – www.gematik.de/anwendungen/e-patientenakte/epa-app – und installieren oder sich direkt an die Krankenkasse wenden. Zusammen mit dem Link zur App erhält man von dieser dann eine PIN, mit der die elektronische Gesundheitskarte aktiviert wird. Das funktioniert nur, wenn die Karte aktuell und NFC-fähig ist. NFC steht für Nahfeldkommunikation und ob die Karte diese Funktion besitzt, erkennt man am wellenförmigen Kontaktlos-/WiFi-Symbol. Mit der App auf dem Smartphone lässt sich die Gesundheitskarte über den Chip scannen und die ePA anschließend mit der PIN freischalten. Ist die ePA über die App angelegt, können Dokumente hochgeladen werden. Beim nächsten Arztbesuch kann man zudem darum bitten, dass aktuelle Befunde, Arztbriefe, Laborwerte oder auch ältere Dokumente in der ePA abgelegt werden. Übrigens: Auch Mutterpass, Impfausweis und Zahnbonusheft können dort in digitaler Form gespeichert werden.