Wie wirkt sich die Herzfrequenz beim Training auf den Blutzucker aus?
Mit dieser Frage kam eine Leserin zu uns. Da wollten wir von der feelfree-Redaktion doch noch mal ein bißchen genauer nachfragen. Ein Expertenrat von Dr. med. Peter Zimmer, Facharzt für Innere Medizin, Diabetologe (DDG), Sportmedizin in Wettstetten.
„Trainiere ich bei einer Herzfrequenz unter oder bis 130 BPM , sinkt der Blutzucker nach dem Sport. Liegt die Herzfrequenz darüber, dann steigt der Wert nach dem Training an. Woran liegt das?“
Dr. Zimmer: „Vor einigen Jahren war das auch in der Sportmedizin eine neue Erkenntnis. Man hatte immer angenommen, der Blutzucker würde nach dem Sport grundsätzlich fallen. Dass dem nicht so ist, hängt mit der sogenannten aeroben Schwelle zusammen: Wenn die Sauerstoffzufuhr im Gefäßsystem nicht mehr ausreicht, um die Zellen zu versorgen, kommt es zur anaeroben Glykolyse, das
heißt, es entsteht Laktat. Gleichzeitig werden kontrainsulinäre Hormone (Wachstumshormon, Kortisol, Katecholamine ) freigesetzt, die dazu führen, dass aus der Leber zusätzlich Glykogen abgebaut und Glukose freigesetzt wird.“
„Diese aerobe Schwelle ist aber doch individuell unterschiedlich?“
Dr. Zimmer: „Ja, wo sie liegt, ist unter anderem abhängig vom Trainingszustand eines Menschen. Und bei regelmäßigem Training lässt sie sich nach oben verschieben.“
„Wie bestimmt man die persönliche aerobe Schwelle?“
„Um das herauszufinden, macht man in der Sportmedizin eine Stufen-Ergometrie mit Laktatbestimmung. Für Freizeitsportler kann auch die Karvonen-Formel herangezogen werden (siehe oben).“
„Und in welchem Bereich sollten Freizeitsportler trainieren?“
Dr. Zimmer: „Zunächst einmal stellt sich die Frage: Was möchte ich erreichen? Will ich Gewicht verlieren und Fitness trainieren, dann ist es gut, im aeroben Bereich zu bleiben. Die Leistung kann, wie gesagt, gesteigert werden. Wer regelmäßig trainiert, wird mit der Zeit Anpassungen wahrnehmen.“
„Was empfiehlt man Leistungssportlern etwa im Hand- oder Fußball?“
Dr. Zimmer: „Die Insulinreduktion sollte moderater ausfallen als bei kontinuierlicher Belastung, denn durch intervallartige, intensive Belastungen ist eher ein geringerer Blutzuckerabfall zu erwarten, beziehungsweise sogar ein Anstieg. Auch im Anschluss an intensives Training oder einen Wettkampf muss man vorsichtig sein. Die Muskulatur
füllt ihre eigenen Glukosespeicher wieder auf. Dieser sogenannte Muskelauffülleffekt kann die ganze Nacht über anhalten, eine Reduktion der Insulindosis um 30 bis 50 Prozent ist ratsam. Ein CGM ist hier sehr hilfreich.“
„Lässt sich durch die Überwachung der Herzfrequenz, zum Beispiel über eine Smartwatch, auf den zu erwartenden Blutzucker schließen?“
Dr. Zimmer: „Es gibt zahlreiche Faktoren, die auf die Herzfrequenz einwirken: Temperatur, Uhrzeit, Psyche, auch das Alter spielt eine Rolle, ebenso wie mögliche weitere Erkrankungen. Allgemein kann man sagen, dass es bei größerer gleichbleibender Anstrengung zu erhöhter Herzfrequenz und vermehrtem Energieverbrauch kommt. Wird die Insulinzufuhr nicht reduziert, resultiert ein Blutzuckerabfall. Eine Korrelation zwischen Herzfrequenz und zu erwartendem Blutzuckerabfall ist aus oben genannten Gründen schwer zu konstruieren. Ich empfehle, ein Sporttagebuch zu führen, in dem möglichst alle Parameter festgehalten werden: Neben Uhrzeit, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und eventuell Höhenlage sollten Dauer, Intensität, gegebenenfalls Kilometer sowie Blutzuckerwerte vor, während und nach dem Training notiert werden. Diese Aufzeichnungen dienen bei der nächsten Sportstunde als wertvolle Vorlage. Je nachdem, welche sportlichen Ziele man verfolgt, kann man anhand der Aufzeichnungen auch
mit dem Diabetes-Team besprechen, wie am besten vorzugehen ist.“
„Vielen Dank für das Gespräch.“
Anm. d. Redaktion: Weitere Informationen zur Berechnung der Karvonen-Formel:
Die Karvonen-Formel berechnet den optimalen Puls für ein Fettstoffwechseltraining:
Maximalpuls = 220 – Lebensalter
Trainingspuls = ((Maximalpuls – Ruhepuls) × Faktor) + Ruhepuls
Der Faktor liegt zwischen 0,5 (moderat) und 0,8 (intensiv). Den Ruhepuls sollte man morgens nach dem Aufwachen messen.